Fall 9

 

Fall 9: «Ein Seil ist doch kein Zapfenzieher ...»

 

seilkrangel... oder etwa doch?

Im konkreten Fall – der Ersatz einer Umlenkung im Klettergarten – war der stolze Besitz einer Bohmaschine leider keine Garantie für eine kompetente und fachgerechte Durchführung einer solchen Arbeit.

Besteht eine Umlenkung aus zwei nicht verbundenen Ringen (das Seil wird durch beide gefädelt), so sollen diese vertikal übereinander platziert sein und nicht horizontal nebeneinander! Eine horizontale Platzierung bewirkt starke Seilkrangeln.

Exkurs: Drahtseile unter Last mit verdrehten* Lizen, die um eine Rolle gelenkt werden, erfahren längs ein Drehmoment.
*) verdreht deshalb, damit eine Überdehnung im äusseren Bereich durch eine Stauchung im inneren Auflagebereich kompensiert wird. Erkauft wird dieser Ausgleich aber durch das Entstehen des Drehmoments.

Ein Bergseil ist natürlich kein Stahlseil. Trotzdem werden an der Umlenkung die äusseren Fasern/Litzen stärker gedehnt als die inneren und je nach Seil-Innenaufbau neigen die einen Bergseile stärker zur Krangelbildung als andere.
Aus den gleichen Gründen sollte auch die HMS nicht pauschal als Krangelmonster verurteilt werden: Oft genügen beim Seileingeben in den Halbmastwurf Richtungsänderungen, damit ein Seil stark, weniger stark oder gar nicht krangelt. Da das Drehmoment linear abhängig ist von der Seilkraft, folgt:
1 Es wäre im obigen Fall besser gewesen, wenn der Kletterer nicht abgelassen worden wäre, sondern abgeseilt hätte. Die kleinere Kraft beim Abziehen hätte bei identischer Geometrie weniger Krangeln bewirkt.
2 Bei der Vorstiegssicherung mittels HMS darauf achten, dass das Seil möglichst locker ist und von der Bremshand aktiv in den Knoten geführt/«gestossen» wird.

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