Fall 1: «Verflixte neue Technik»
Zwei unbekannte Kletterer in einer 6a+-Route; das Alter der beiden und die geübten Kletterbewegungen liessen vermuten, dass sie auf zig Jahre Klettererfahrung zurückgreifen konnten. Und es ehrt sie, dass sie nicht in einer Uralttechnik stehen geblieben sind und Neues ausprobieren ...
In der ersten Aufnahme wird der Vorsteigende (weisser Helm) mittels Tube gesichert.
Das zweite Bild ist ein Ausschnitt des ersten und zeigt eine Tube-Fixpunktsicherung für den Vorsteigenden – jedoch so eingehängt, um jemanden nachzunehmen und zudem noch verkehrt rum. Der Sicherer mit dem roten Helm bekundete denn auch grosse Mühe, das Seil immer wieder durch das verflixte Gerät durchzustossen ...
Was im Sturzfall geschehen wäre, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.
Doch damit nicht genug:
Ohne Zwischenfall am neuen Stand auf etwa meiner Höhe angelangt, wurde danach der Kollege ebenfalls mit einem Tube nachgenommen; das Seil war jedoch nur als einfache Umlenkung im Karabiner eingehängt (das Tube hätte problemlos weggelassen werden können). Was bei einem Sturz hier passiert wäre, wissen nur die Götter. Natürlich hätten die Handschuhe schwere Verbrennungen verhindert – ob die Fingerkraft aber gereicht hätte, das Gewicht des Kletternden 1:1 zu halten ... ?
Alle Aufnahmen sind NICHT gestellt, sondern wurden mit einem Tele aufgenommen.
Ins gleiche Kapitel gehört das letzte Bild aus dem Bergell: Eine Dreierseilschaft aus dem Osten hat nach dem Klettern einer 6a-Länge den gleichen Stand wie wir benutzt. Der Seilschaftsführer hat sich bei mir nach dem Wetter erkundigt, denn er und seine beiden Kollegen wollten am nächsten Tag in die Cassin am Badile – danach hat er die beiden mit seinem ATC nachgenommen ...
→ Ob er grün wohl hätte halten können (einfache Umlenkung)?
→ Und was wäre wohl mit rot passiert?
Ich habe ihn darauf angesprochen – er hat danke gesagt und die Sache korrigiert. Nicht immer ist die Reaktion so erfreulich ...
In der Kontroverse Tubes ↔ HMS auf Mehrseillängen wurde ich oft aufgefordert, einen Unfall wegen Tube-Versagens auf MSL zu benennen.
Ich finde es prinzipiell falsch, bei Sicherungsdiskussionen mit Unfallstatistiken zu argumentieren! Die beiden Akteure der ersten Bilder blicken trotz solcher Fehler auf zwei lange Kletterleben zurück. Passieren tut - wie in diesem Fall - häufig nichts; Glück gehabt! Zudem existiert vermutlich eine hohe Dunkelziffer.
Das Problem deswegen zu ignorieren ist gleichermassen falsch: Würde ich zB auf Gletschern mit meiner persönlichen Spaltensturzstatistik argumentieren, dann könnte ich das Seil getrost zu Hause lassen, denn dieses hat einen solchen bis jetzt noch nie aktiv stoppen müssen!